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Der EU-Fahrplan für Kryptowerte: Ein Blick auf die MiCA und TFR Vorschläge

Der EU-Fahrplan für Kryptowerte: Ein Blick auf die MiCA und TFR Vorschläge

Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCA) aus dem Jahr 2020 war Teil des EU-Pakets zur Digitalisierung des Finanzsektors, das auch einen Vorschlag für eine Pilotregelung für die Distributed-Ledger-Technologie (DLT), einen Vorschlag für eine Verordnung über die Betriebsstabilität digitaler Systeme (DORA) sowie einen Vorschlag zur Änderung bestimmter bestehender EU-Rechtsvorschriften für Finanzdienstleistungen – insbesondere der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) – enthielt.

Am 30. Juni 2022 verabschiedete die Europäische Kommission eine neue digitale Strategie mit dem Titel «Digitale Kommission der nächsten Generation»[i], die den Schwerpunkt auf eine Reihe von Grundsätzen wie «standardmässig digital», Sicherheit und Privatsphäre, Offenheit und Transparenz, „datengesteuert“ und vor allem Nutzerorientierung legt.

Nach einer vorläufigen Einigung zwischen dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament, die mit der Ankündigung der neuen digitalen Strategie der Europäischen Kommission zusammenfiel, wurde am 5. Oktober 2022 eine endgültige Einigung über den vollständigen Text der MiCA erzielt, die später vom Europäischen Parlament formell angenommen wurde.

Die MiCA verfolgt im Wesentlichen einen “Substance over Form”-Ansatz und soll diejenigen Kryptowerte abdecken, die nicht unter die bestehenden Rechtsvorschriften für Finanzdienstleistungen fallen. Der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) wird eine zentrale Rolle bei der Festlegung technischer Leitlinien und Standards zur Bestimmung der Klassifizierung zugewiesen. Die Verordnung sieht eine Reihe von Verpflichtungen für Emittenten, Anbieter und Dienstleister von Kryptowerten vor (CASPs).

Non-Fungible Token (NFT)-Modelle, die eindeutig identifiziert sind, werden im Prinzip vom Anwendungsbereich der MiCA ausgenommen, ebenso wie dezentrale Finanzanwendungen (DeFi), die ohne Vermittler funktionieren.

Trotz ihrer formalen Form könnte jedoch eine Neueinstufung für diejenigen NFT möglich sein, die in der Praxis das Potenzial haben, „fungible“ zu werden und somit als Finanzinstrumente zu gelten. Insbesondere Bruchteile von NFTs und Serienemissionen können ein starkes Indiz für die Fungibilität dieser Vermögenswerte sein, wobei die blosse Zuweisung einer eindeutigen Kennung an einen Kryptowert nicht ausreicht, um es als NFT einzustufen.

Ebenso sind nicht übertragbare Kryptowerte vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen, wie z. B. Soulbound Token (SBT)-Modelle, die die Identität und die persönlichen Merkmale einer Person darstellen, oder Treueprogramme sowie Kryptowerte, die kostenlos [ii] angeboten oder per Airdrop übertragen werden. Im Gegensatz zum ursprünglichen Text sind algorithmische Stablecoins nicht mehr ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen; stattdessen gelten die Regeln «unabhängig davon, wie der Emittent den Kryptowert zu gestalten gedenkt, einschliesslich des Mechanismus zur Aufrechterhaltung eines stabilen Wertes»[iii].

Um den CO2-Fussabdruck zu überwachen, müssen die CASPs nun auch den Energieverbrauch und die Umweltauswirkungen ihrer jeweiligen Protokolle offenlegen. Im Vergleich zu einem früheren Entwurf, der ein vollständiges Verbot des Mining im Zusammenhang mit dem Proof-of-Work (PoW)-Mechanismus vorsah, ist dies eine deutlich abgeschwächte Formulierung.

Erfolgt die Bereitstellung eines Kryptowert-Dienstes vollständig dezentral und ohne Vermittler,[iv] fällt dieser nicht in den Anwendungsbereich. Ebenso würden Kryptowerte ohne erkennbaren Emittenten nicht unter die Titel II, III und IV der Verordnung fallen, während CASPs, die Dienstleistungen für solche Kryptowerte erbringen, vollständig abgedeckt wären.

Ergänzend zur MiCA wurde am 29. Juni 2022 zwischen dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament eine vorläufige Einigung [v] über den Vorschlag für eine Verordnung über Geldtransfers (TFR) als Teil des EU-Geldwäschereibekämpfungsregimes erzielt. Unter Einbeziehung der «Reiseregel» und in Übereinstimmung mit den Empfehlungen 15 und 16 der Financial Action Task Force (FATF) zielt die Verordnung darauf ab, den Anwendungsbereich der Vorschriften auf Transfers von Kryptowerten auszuweiten, wobei die CASPs verpflichtet werden, bestimmte Informationen über den Auftraggeber und den Begünstigten der von ihnen abgewickelten Transfers von Kryptowerten zu sammeln und zugänglich zu machen, eine Verpflichtung, die derjenigen von Zahlungsdienstleistern ähnelt. Wichtig ist, dass keine Mindestschwelle festgelegt wird, so dass es keine Ausnahmeregelung für Transfers von geringem Wert gibt.

Diese Vorschriften gelten unbeschadet der EU-Datenschutzgrundverordnung (GDPR).

In diesem Zusammenhang fallen nicht gehostete (private) Geldbörsen immer noch in den Anwendungsbereich, wenn bei Überweisungen über 1‘000 EUR eine Interaktion zwischen ersteren und CASPs besteht. Eine derart strenge und pauschale Finanzüberwachungsregelung, selbst ohne Anzeichen auf eine verdächtige Aktivität, scheint das Potenzial zu haben, die Akteure des Sektors unverhältnismässig stark zu treffen.

Andererseits wird der Peer-to-Peer-Handel zwischen nicht gehosteten (privaten) Geldbörsen in Abwesenheit von CASPs nicht von den Vorschriften betroffen sein.

Das Gesetzespaket soll 2024 in Kraft treten und anwendbar sein.

Nicht zuletzt ist klar, dass auch Einrichtungen aus Drittländern[vi], die ihre Dienstleistungen und Tätigkeiten bei in der EU niedergelassenen oder ansässigen Nutzern und Kunden anpreisen, direkt betroffen sein werden, wobei die ESMA die Behörde sein wird, die Leitlinien zur Bestimmung des genauen Zeitpunkts vorlegen wird, zu dem eine Einrichtung als anpreisend gilt.

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[i] Siehe hier https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_22_4199.

[ii] Art. 4.2 MiCA (Text vom 5. Oktober 2022), “ein Angebot von Kryptowerten [gilt] nicht als kostenlos, wenn die Käufer verpflichtet sind oder sich bereit erklären müssen, dem Emittenten im Tausch gegen die Kryptowerte personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen.”

[iii] Rezital 26 MiCA (Text vom 5. Oktober 2022)

[iv] Rezital 12a MiCA (Text vom 5. Oktober 2022)

[v] Siehe hier https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/06/29/anti-money-laundering-provisional-agreement-reached-on-transparency-of-crypto-asset-transfers/.

[vi] Art. 53b MiCA (Text vom 5. Oktober 2022)

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