Am 1. Januar 2023 wird das neue, teilrevidierte, Aktienrecht in Kraft treten. Damit werden gewisse Flexibilisierungen möglich, die aber häufig einer Statutenrevision bedürfen. Ausserdem kommen neue Pflichten auf die Geschäftsleitung (GL) und den Verwaltungsrat (VR) hinzu. Statuten der Aktiengesellschaften sind bis am 1. Januar 2025 anzupassen, können aber ab sofort umgesetzt werden. Nachfolgend das wichtigste in Kürze.
Hauptziele der Revision
Die Revision des Aktienrechts überführt zunächst die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften in die Bundesgesetze, soll aber auch die Corporate Governance auch bei nicht börsenkotierten Gesellschaften verbessern. Mehr Flexibilität soll das Aktienrecht durch die Gründungs- und Kapitalbestimmungen erfahren und dabei auf das neue Rechnungslegungsrecht abgestimmt werden. Folgende Ziele wurden mit der Revision verfolgt:
- Anpassungen in der Kapitalstruktur – und Reserven
- Verbesserung der Corporate Governance
- Verwendung elektronischer Mittel bei der Generalversammlung
- Förderung der Gleichberechtigung
- Einfügung weitere Sanierungsbestimmungen im Obligationenrecht
- Verstärkte Transparenz von Finanzströmen in der Rohstoffbranche
- Überführung der Vergütungsverordnung VegüV ins OR.
- Weitere Änderungen
Im Einzelnen
1. Kapitalstruktur und Reserven
Das Aktienkapital darf neu auf ausländische Währung lauten (nOR 621) und auch die Buchführung und Rechnungslegung werden in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen ausländischen Währung zugelassen (OR 957a Abs. 4 und 958d Abs. 3). Soll das bisherige Kapital von Schweizerfranken geändert werden, sind eine entsprechende Beschlussfassung durch die Generalversammlung (GV) und eine Statutenrevision durchzuführen.
Der Mindestnennwert von Aktien wurde von mindestens 1 Rappen auf grösser als 0 festgelegt (nOR 622 Abs. 4). Mittels Schaffung eines Kapitalbands erfolgt eine Flexibilisierung von Kapitalherabsetzungen und -erhöhungen während neu maximal 5 Jahren. Allerdings darf in diesem Fall kein Verzicht auf die eingeschränkte Revision vorliegen, und das Kapitalband darf das bisherige Aktienkapital nur zu 50% verändern. Beides stellt doch eine erhebliche Einschränkung dessen Anwendung dar.
Die Reservenbildung wird nun detailliert geregelt (Gewinn-, Kapital-, freiwillige Gewinnreserve).
2. Verbesserung der Corporate Governance
Mit der Revision sollen die Auskunfts- und Einsichtsrechte der Aktionäre gestärkt werden. Durch eine Senkung der Schwellenwerte für die Ausübung von Aktionärsrechten, so für das Einberufungs- und Traktandierungsrecht nach nOR 699 ff einerseits und das Recht auf eine Sonderprüfung/Sonderuntersuchung nOR 697c ff. andererseits. Ferner wird die Transparenz bei börsenkotierten Gesellschaften nochmals erhöht.
3. Flexibilisierung der Anforderungen an die GV
Neu kann die Generalversammlung gemäss nOR 701a und 701b an mehreren Tagungsorten oder auch im Ausland durchgeführt werden, elektronische Hilfsmittel sind sowohl bei der Vorbereitung, Durchführung und Beschlussfassung (als Konsequenz aus der Corona-Pandemie) gestattet (nOR 700 I und 701c). Will man von dieser Flexibilisierung Gebrauch machen, sind entsprechende Statutenbestimmungen einzufügen. Ferner wird die Rolle des unabhängigen Stimmrechtsvertreters gestärkt. Und schliesslich kann die Generalversammlung den VR neu auch zur Einreichung von Aktionärsklagen verpflichten.
4. Förderung der Gleichberechtigung
Bereits seit dem 1. Januar 2021 in Kraft, verpflichtet der neue OR 734f börsenkotierte Gesellschaften mit mehr als 250 Mitarbeitenden einen Anteil beider Geschlechter von je 30% im VR und je 20% in der GL zu halten. Es gelten Übergangsfristen von 5 Jahren für den VR und von 10 Jahren für die GL, wobei eine Erklärungspflicht im Vergütungsbericht besteht (comply or explain).
5. Sanierungsbestimmungen im OR
Die Handlungspflichten für die GL und den VR werden verstärkt, so z.B. wenn Zahlungsunfähigkeit droht oder bei Kapitalverlust. Entsprechend werden die unübertragbaren Pflichten des Verwaltungsrates ergänzt.
6. Verstärkte Transparenz von Finanzströmen in der Rohstoffbranche
Gemäss nOR 964a ff. muss in einem jährlichen Bericht über Zahlungen an staatliche Stellen informiert werden. Dadurch soll ein Beitrag gegen Misswirtschaft und Korruption geleistet werden.
7. Vergütungsverordnung – VegüV:
Als Übergangsverorderung zur Umsetzung der Abzocker-Initiative kreiert, können die Spezialbestimmungen zu börsenkotierten Gesellschaften mit der Aktienrevision nun ins OR (nOR 732 ff.) überführt werden.
8. Weitere Änderungen
In der Praxis werden ausserdem folgende Änderungen sehr relevant sein:
- Einführung einer Schiedsklausel
Die Statuten dürfen neu ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz vorsehen (Art. 697n Abs. 1 revOR). Es gelten die Bestimmungen des 3. Teils der Zivilprozessordnung (ZPO 353 ff.). Die Statuten können dabei auf eine bestimmte Verfahrensordnung einer Schiedsinstitution verweisen (Art. 697n Abs. 3 revOR, sogenanntes institutionelles Schiedsgericht).
- Wegfall der Sachübernahmebestimmungen
Bei der (beabsichtigten) Sachübernahme übernimmt die Gesellschaft von einem Aktionär oder einer ihr nahe stehenden Person Vermögenswerte oder beabsichtigt, solche zu übernehmen. In neuen Aktienrecht fallen diese Bestimmungen ersatzlos weg. Damit ist eine Hürde, die in der Beratung immer wieder für Verwirrung sorgte, weggefallen.
- Auswirkungen auf weitere Gesellschaftsformen
Auch bei der GmbH und z.T. der Genossenschaft gelten folgende Neuerungen:
- Stammkapital mit Fremdwährung
- Nennwert pro Stammanteil grösser als 0 (bisher mind. CHF 100)
- Sachübernahme abgeschafft
- Virtuelle & hybride Gesellschafterversammlungen
- Finanzverantwortung
- Statutarische Schiedsklausel
Unsere Empfehlung
Die Statuten der Aktiengesellschaften sind bis am 1. Januar 2025 anzupassen. Wollen die Gesellschaften vorher schon, z.B. von den Möglichkeiten der elektronischen GV und anderen Flexibilisierungen profitieren, sollten die Statuten unverzüglich angepasst werden, was einer öffentlichen Beurkundung und Eintragung ins Handelsregister bedarf (OR 647).